Erfreulicherweise konnten wir Herrn Horst Decker aus Dauerheim für eine Lesung an diesem Abend im Bürgerhaus Ranstadt gewinnen.
In seinen Büchern sind Nationalsozialismus und dessen Auswirkung auf das soziale Leben während und nach dem 2. Weltkrieg ein wichtiges Thema, ist er doch selbst in der unmittelbaren Nachkriegszeit geboren und hat die Folgen und Verwerfungen, die immer mit Krieg verbunden sind, selbst hautnah gespürt. Die Sprachlosigkeit und Traumatisierung der Elterngeneration, die nicht ohne Auswirkung auf ihre Kinder blieben.
Illustriert wurde die Lesung durch einige Objekte seiner Sammlung, die die Kapitulation Deutschlands widerspiegeln.
Unter Anderem stellte er auf der Bühne eine Original-Weiße-Fahne aus, die 1945 notdürftig aus zwei Kopfkissenbezügen zusammengenäht wurde und aus Ortenberg-Lißberg stammt.
Auf einem Seitentisch standen Original-Winkfahnen der Länder der Alliierten, mit denen die Bürger von Paris ihre Befreiung feierten. Objekte und Dokumente der Alliierten Besatzung befanden sich in 2 Vitrinen.
Eingeleitet wurde die Lesung durch die Wiedergabe einer Originalaufnahme des Britischen BBC Senders von der Feier des Kriegsendes in London.
Im ersten Teil der Veranstaltung las Herr Decker drei themenbezogene Kurzgeschichten aus seinen drei Anthologiebänden „Kurze Weile auf langen Wegen“.
In diesen stellt er Einzelschicksale realistisch und tiefgründig dar, was eine spürbare Betroffenheit bei den Zuhörern auslöste. Es gelang ihm dabei, die Episoden mit ergänzendem, historischem Wissen zu erläutern und so noch ein tieferes Verständnis bei den Zuhörern zu erreichen.
Im zweitem Teil der Lesung stellte er Passagen aus seinem Buch „Kericht“ vor. Dieser Roman handelt von der Zeit zwischen der Kapitulation und der noch nicht gegründeten Bundesrepublik Deutschland, einer Zeit der Not, Hoffnung und Anarchie.
Arbeit und Improvisation prägten das Wesen des neuen Staats und das Leben seiner Bürger. Als drastisches Beispiel zeigte und beschrieb Herr Decker, dass Babyrasseln und sogar Weihnachtskugeln aus zuvor todbringenden Eihandgranaten der Wehrmacht hergestellt wurden.
Einzelne Passagen lösten tiefe Betroffenheit aus, andere wiederum regten zum Schmunzeln an.
In der Pause zwischen den beiden Abschnitten bot sich für die Anwesenden die Chance, an der Verlosung seines Gedichtbandes „Vergammelte Werke“ teilzunehmen. Hierzu musste die Frage, in welche Besatzungszonen Deutschland 1945 aufgeteilt wurde, richtig beantwortet werden.
Am Ende der Veranstaltung zog Frau Reichert-Dietzel aus den richtigen Lösungen einen Gewinner.
Was aber wäre ein Gedenken an Kriegsende und Neuaufbau, ohne die Auswirkung auf unser heutiges Leben mit einzubeziehen. Uns und fast ganz Europa hat es achtzig Jahre Frieden und rechtsstaatlich demokratische Verhältnisse gebracht.
Daher stimmt es traurig, dass nicht allen Ländern dieses Glück vergönnt ist. Die Gemeindebücherei hatte daher zwei Spendentöpfe aufgestellt und Herr Decker bat die Zuhörer am Ende der Lesung um eine Spende für die Bürger in der Ukraine, die sich heute wieder in der Situation befinden, die Deutschland und ganz Europa während und nach dem Zweiten Weltkrieg durchleben mussten. Die Spende wurde anschließend an die Aktion des Hessischen Rundfunks „Reincke Ukraine“ weitergeleitet.