Rede zum Volkstrauertag am 15. November 2020

Mahnen... auch und gerade in diesem Jahr! Das geht auch ohne große Veranstaltungen. Danke an den VdK, die Ortsbeiräte und den Bauhof, die dazu beigetragen haben, dass wir Unheil, Krieg und Gewalt gegen Menschen nicht vergessen!

Volkstrauertag 2020

Werte Anwesenden,

als wir uns vor einem Jahr am Volkstrauertag hier versammelt hatten, ahnten wir noch nicht, was in den kommenden Monaten geschehen würde. Schon seit März dieses Jahres beherrscht uns ein Thema: die Corona-Pandemie und ihre Folgen für uns alle. Schlimme Folgen für die, die erkrankt sind oder einen nahestehenden Menschen verloren haben, für unsere Wirtschaft, für unser soziales Leben, für unsere Kinder und Kindeskinder, für alle älteren Menschen und für jene Menschen, die durch eine Vorerkrankung in erhöhtem Maße bedroht sind.

Der Volkstrauertag hat im VdK eine lange, sehr geachtete Tradition. Deshalb haben wir uns entschlossen, ihn auch in diesem Jahr aktiv mitzugestalten, trotz Corona, aber unter besonderen Bedingungen und Sicherheitsvorkehrungen. Ich danke Ihnen umso mehr dafür, dass Sie trotzdem gekommen sind.

In diesem Jahr haben wir am 8. Mai des Kriegsendes vor 75 Jahren gedacht. Ein Dreivierteljahrhundert ist es jetzt her, dass der schlimmste Krieg in der Menschheitsgeschichte mit schätzungsweise 60 Millionen Toten beendet wurde. Vielleicht sind einige unter uns, die das Kriegsende als Kinder oder junge Menschen miterlebt haben oder sich an die Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern erinnern.

Seit 75 Jahren leben wir - Gott sei Dank - in Frieden. Das ist ein Glück und eine Ausnahme auf diesem Erdball und beileibe keine Selbstverständlichkeit. Am heutigen Volkstrauertag gedenken wir nicht nur den getöteten Menschen der beiden Weltkriege und den Abermillionen überlebenden Opfern dieser Kriege. Wir denken auch an die 70 Millionen Menschen auf der ganzen Welt, deren Leben in diesem Moment durch Hunger, Krieg und Gewalt bedroht ist, die für sich und ihre Kinder Schutz und Sicherheit suchen und die ihre getöteten Angehörigen betrauern.

Der VdK ist entstanden als Reaktion auf den Schrecken des Zweiten Weltkriegs und dessen furchtbare Folgen. Bereits 1946 gegründet, kann unser Verband im nächsten Jahr das

Jubiläum anlässlich seines 75-jährigen Bestehens feiern. Ein Anlass zur Freude, aber auch zur Rückschau und Besinnung auf die historischen Wurzeln des VdK. In seinen Anfängen hat sich der VdK vor allem der Menschen angenommen, die verletzt an Körper und Seele aus dem Krieg zurückgekehrt oder als Kriegswitwen und -waisen die Leidtragenden des Krieges waren. Diese historischen Wurzeln sind nicht vergessen. Sie sollten uns immer Mahnung sein, alles zu tun, damit Hass und Gewalt nie mehr eine Chance haben, die Macht über unsere Herzen und über unseren Verstand zu erlangen. Daraus erwächst für uns die dauerhafte Verpflichtung, für Frieden und Freiheit, für Demokratie und Menschlichkeit einzutreten.

Am heutigen Tage erinnern wir uns mit großem Respekt an die vielen Frauen und Männer, die sich nach 1945 dem Frieden und nicht dem Krieg oder der Rache verschrieben haben. Sie sind trotz ihres persönlichen Leids und angesichts der furchtbaren Zerstörung in vielen Städten und Dörfern nicht verzweifelt. Viele unserer Gründerväter und -mütter haben sich in dieser Situation zusammengeschlossen, um anderen zu helfen. Sie haben sich um die Opfer, die Versehrten und Hinterbliebenen gekümmert. Sie haben damit zum Zusammenhalt in der Gesellschaft beigetragen und mitgeholfen, die junge Demokratie in eine stabile Zukunft zu führen. Die Geschichte unseres Sozialverbandes VdK ist auch eine Erfolgsgeschichte der Menschlichkeit.

Jetzt steht dieses Land wie nahezu alle Nationen auf der Welt wieder vor einer großen Herausforderung. Vermutlich handelt es sich um die größte globale Krise seit Jahrzehnten. Corona verändert die Welt, verändert unsere Gesellschaft.

Es steht weiterhin zu befürchten, dass viele Menschen erkranken werden, etliche sogar schwer, einige werden durch den Virus ihr Leben verlieren. Andere sehen sich zurzeit mit massiven wirtschaftlichen Problemen konfrontiert. Selten waren die Menschen so verunsichert wie im Augenblick.

Diesen Umstand versuchen einige, sich zu nutzen zu machen. Sie schüren neue Feindbilder und entfachen Hass. Wer durch Gesundheits- und Existenzängste bedrückt wird, neigt dazu, nach Schuldigen zu suchen oder schnelle Lösungen zu fordern. Beides wäre im Augenblick schädlich. Beides hat in der Geschichte noch nie zu einem positiven Ergebnis geführt. Umso mehr gilt es jetzt, sich auf die historische Erfahrung zu berufen: Was wir jetzt brauchen, sind keine Feindbilder, sondern Solidarität. Was wir jetzt brauchen, sind Ruhe, Vernunft und gegenseitige Rücksichtnahme. Nur so können wir diese Krise meistern. Niemand weiß, wie sich die Pandemie entwickeln wird. Aber sicher ist, dass wir die Situation am besten meistern, je vernünftiger wir uns verhalten und je genauer und überlegter wir mögliche Risiken einschätzen und abwägen. Selbst verantwortlich zu handeln ist die beste Solidarität!

Und, worauf der Sozialverband VdK immer wieder hinweist: Die beste Antwort auf die sich vertiefende Spaltung in unserer Gesellschaft sind soziale Gerechtigkeit und sichere Zukunftsperspektiven. Niemand darf das Gefühl haben, benachteiligt und abgehängt zu sein. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns alle weiterhin unbeirrt für Frieden, Vernunft und gegenseitige Unterstützung einsetzen.

Unser Gedenken fordert uns auf, Frieden zu halten und die für uns unverzichtbaren Werte zu verteidigen und uns immer wieder neu für Frieden einzusetzen, so wie wir es alljährlich mit unserem Gedenken am Volkstrauertag praktizieren!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.