Kommunen in der Finanzmisere

1. Was Kommunen alles machen!

Sie suchen ein verlässliches Angebot für Bildung, Betreuung und Erziehung für Ihre Kinder? Sie wollen, dass Ihre Kinder in zeitgemäß ausgestattete Schulen gehen können? Dass Busse und Bahnen helfen, das Auto auch mal stehen zu lassen? Dass jeden Tag im Jahr rund um die Uhr Wasser in hoher Qualität aus der Leitung kommt und Ihr Schmutzwasser auch wieder entsorgt wird? Sie wollen Ihren Müll nicht in die Landschaft kippen, sondern sich darauf verlassen, dass die Mülltonne regelmäßig geleert wird? Sie wollen sich darauf verlassen, dass im Notfall spätestens zehn Minuten nach dem Notruf Rettungswagen oder Feuerwehr da sind? Sie wollen sicher sein, dass es in der Nähe ein Krankenhaus gibt, in dem Ihnen geholfen wird, wenn Sie krank sind? Sie sind auch dagegen, dass jeder nach Gusto überall hinbauen kann, was er will? Dass diejenigen den nötigsten Lebensunterhalt gesichert bekommen, die ihn selber gerade nicht aufbringen können? Sie gehen gelegentlich ins Museum, ins Theater oder zu Veranstaltungen örtlicher Vereine in Mehrzweckhalle oder Dorfgemeinschaftshaus? Sie treiben gerne Sport und brauchen dafür eine Sporthalle oder einen Sportplatz? Sie wollen, dass der Staat gegen Vernachlässigung und Verwahrlosung von Kindern und Jugendliche vorgeht? Sie wollen, dass sie über einen Bürgersteig ohne Stolperfallen gehen können und die steile Straße vor Ihrer Haustür im Winter geräumt und gestreut ist, bevor sie morgens früh zur Arbeit gehen? Ihr Arbeitgeber wächst und muss den Betrieb erweitern, damit mehr Leute Arbeit finden? – Das alles und noch viel mehr stellen Ihre Stadt oder Gemeinde und Ihr Landkreis sicher. Rund um die Uhr, 365 oder auch mal 366 Tage im Jahr. Was auch passiert: Ihre Kom-mune steht für Sie bereit.

2. Kommunen brauchen aktive Bürgerinnen und Bürger

Städte, Gemeinden und Kreise machen so viel – mit ihren Bürgern für Ihre Bürger. In Feuerwehren und Vereinen, aber auch in den Gemeindegremien arbeiten bereits viele Menschen ehrenamtlich für Sie. Das soll und muss so sein, so haben es die Eltern von Grundgesetz und Landesverfassung gewollt. Mitma-chen, den Ort, an dem man lebt mitgestalten – dazu gibt es viele Möglichkeiten. Und in allen Bereichen sind weitere Helfer willkommen. Mitmachen erwünscht – auch von Ihnen!

3. Kommunen in Finanznot – warum?

Den Kommunen fehlt seit Jahren das Geld, um alle ihre Aufgaben zu bezahlen. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Faktor Steuereinnahmen

Wichtige Steuereinnahmen sind in den letzten Jahren nicht gewachsen oder sogar gesunken. Dahinter steht die Wirtschaftskrise der zurückliegenden Jahre, aber auch Steuersenkungen, die zu Einnahmeeinbußen führen. Insgesamt behalten Bund und Länder über 80% aller Steuereinnahmen für sich. Der Anteil der Kommunen am Kuchen liegt seit Jahrzehnten bei 12-14% (den kleinen Rest kriegt die EU). Und daraus bestreiten die Kommunen alle ihre Aufgaben.

Faktor wachsende Ausgaben

Große Ausgabenblöcke sind dagegen gewachsen. Vor dreißig Jahren stellten die Kommunen vielerorts noch Halbtagskindergärten mit wenig Personal zur Verfügung. In der Praxis gingen auch nicht alle Drei- bis Sechsjährigen hin. Heute gibt es Kinderbetreuung für unter Dreijährige, den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und höhere Anforderungen an das Personal – sowohl mit Blick auf die Anzahl der Betreuer als auch mit Blick auf deren berufliche Qualifikation. All das haben Bund und Land mit Blick auf gesellschaftliche Veränderungen vorgegeben. All das kostet Geld. Und das müssen die Kommunen aufbringen. Andere Beispiele sind die Eingliederung Behinderter ins gesellschaftliche Leben und der Kampf gegen Armut im Alter. Das sind alles wichtige gesellschaftliche Aufgaben. Die Kommunen mussten und müssen sie aber in viel zu großem Umfang allein bezahlen.

Faktor Standards und Fortschritt

Das Beispiel Kindergarten zeigt: Die Ansprüche an die Qualität der Leistungen wächst. In anderen Bereichen gibt es – zum Schutz von Leben und Gesundheit – höhere Vorgaben oder neue technische Möglichkeiten. Sie umzusetzen, die Möglichkeiten zu nutzen – das kostet oft zunächst einmal, nicht selten auch auf Dauer, mehr Geld. Der Unterschied zwischen Kupfer- und Glasfaserkabel – den gibt es auch im privaten Haushalt. Die Waschmaschine hat längst das Waschbrett abgelöst, und wir telefonieren nicht mehr mit dem Fernsprecher mit der Kurbel dran, sondern mit schnurlosen Gerätschaften, mit denen man viel mehr als nur telefonieren kann. Das Waschbrett dürfte erschwinglicher gewesen sein als die Waschmaschine, bei Telefonen könnte der Fortschritt die Preise gedrückt haben.

Faktor Kommunalstruktur

Bis 1979 sind in Hessen viele kleine Ortschaften zu größeren Gemeinden zusammengeschlossen worden. Viele Bürger waren damit nicht einverstanden. Viele, die zuvor in Gemeindevertretungen und als ehrenamtliche Bürgermeister gearbeitet hatten, zogen sich zurück. Auch heute noch gibt es oft ein ausgeprägtes Ortsteildenken. Vielfach bedeutet das, dass die Gemeinde Angebote in allen Ortsteilen unterhalten soll und unterhält. „Die Stadt“ oder „die Gemeinde“ muss dann sehen, wo sie die Mittel aufbringt. In kleineren Kommunen ist dagegen klar: Die, die das Dorfgemeinschaftshaus behalten oder ausgebaut haben wollen, müssen es auch bezahlen. In größeren Kommunen ist dieser Zusammenhang oft nicht klar. Die Folge sind hohe Ausgaben und Investitionen, die nur deshalb erfolgen, weil in einem anderen Stadtteil oder Ortsteil etwas Ähnliches gemacht wurde. So ist es wohl kein Zufall, dass die kommunale Finanznot im Saarland, in Nordrhein-Westfalen und in Hessen groß ist, wo besonders einschneidende Gebietsreformen erfolgten. Identifikation und Mitarbeit sind in großen Kommunen viel schwerer zu erreichen.

Faktor Infrastruktur

Sporthallen, Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Bürger- und Dorfgemein-schaftshäuser – das und mehr haben Bund und Land nach dem Krieg gefördert, wenn es darum ging, etwas zu bauen. Aber diese Investitionen auch auf Dauer betreiben und erhalten: Das ist fast immer Sache der Kommune. Manches Förderprogramm früherer Jahre baggert heute tiefe Löcher in die kommunale Kasse, Bürger- und Dorfgemeinschaftshäuser, Feuerwehren und Sporthallen kann man nicht gewinnbringend betreiben. Das will wohl auch niemand. Die Mittel müssen aber irgendwo herkommen.

Faktor Gebühren

Wasser liefern, Abwasser entsorgen, einen würdigen Rahmen für Trauer und das Andenken der Verstorbenen schaffen: Für dies und anderes sorgen die Gemeinden und erheben dafür Gebühren. Diese Gebühren decken in vielen Kommunen nicht die Kosten. Oft wird geltend gemacht, höhere Gebühren wären nicht zumutbar oder unsozial. 2010 (eine neuere Statistik gibt es noch nicht) lag der höchste Kubikmeterpreis für die Versorgung mit Wasser und die Entsorgung von Wasser in Hessen bei 10,33 € je Kubikmeter. Das macht einen Cent pro Liter. Vergleichen Sie das mit Benzin-, Diesel- und Heizölpreisen oder dem Preis einer Flasche Mineralwasser oder Bier. Der Unterschied: Die Gemeinde liefert rund um die Uhr und rund ums Jahr ein Lebensmittel, das wir alle brauchen wie kein anderes sonst. Ohne Öffnungszeiten, ohne Abholung, ohne Kistenschleppen. Also: Die Leistungen der Gemeinde sind ihr Geld wert. Und: Die Gemeinde muss alle ihre Leistungen bezahlen. Wenn nicht mit Gebühren, dann mit Steuergeldern. Wer bringt die nochmal auf? – Richtig, das sind ja auch wir alle, die Bürgerinnen und Bürger. Also: Die Leistungen der Gemeinde sind unser Geld auch wert.

4. Haushaltskonsolidierung – warum?

Die Kommunen kämpfen in der Finanznot um jeden Euro. Sie sind auch dafür, dass Sie auch morgen und übermorgen noch die Leistungen bekommen, für die Stadt, Gemeinde und Kreis verantwortlich sind? Sie wollen das auch für Ihre Kinder und Enkel? Sie wollen, dass die Schulden nicht mehr wachsen und nicht an die kommenden Generationen weitervererbt werden? Sie wollen, dass Sie für Ihre Steuern Leistungen von Bund, Land und Kommunen bekommen, statt sie immer stärker für Zinsen und Zinseszinsen zu verwenden? Dann muss an vielen Stellen weniger ausgegeben, an anderer Stelle mehr eingenommen werden. Gegen die Grundrechenarten kann auf Dauer keiner Politik machen.