Interview mit der Feuerwehrführung der Gemeinde Ranstadt

Wir wagen einen „Blick hinter die Kulissen“. Dabei stellen wir fest, dass Feuerwehrarbeit ein Ehrenamt ist, das sehr komplexe und anspruchsvolle Aufgaben bereithält.

Deshalb reden wir heute mit Frank Kraft, unserem Gemeindebrandinspektor und seinem Stellvertreter Markus Wickl über die letzten zwei Wochen, über Amtshilfe, Einsätze im Hochwasser sowie die Notwendigkeit klarer Strukturen.

In den letzten Tagen seid ihr mehrfach ausgerückt. Einmal gingen die Sirenen. In kurzer Zeit habt ihr viele Aufgaben gestemmt. Dafür möchten wir nochmals ausdrücklich danken. Was geht Euch durch den Kopf, wenn ihr an die letzten Tage, die letzten zwei Wochen denkt?

Frank Kraft: Es war und ist anstrengend und voller Herausforderungen. Aber der Dank geht in erster Linie an die motivierten Frauen und Männer der Einsatzabteilungen der Großgemeinde Ranstadt. Wir sind ein Team und zusammen sehr stark.
Markus Wickl: Wir hatten so viele Einsätze, dass dies - rechnet man das Hochwasser mit ein - der Anzahl entspricht, die normalerweise in einem Jahr anfallen. Das ist schon außergewöhnlich.

Die Einsätze waren doch sehr unterschiedlich - binnen 24 Stunden. Ist das nicht sehr schwierig?

Markus Wickl: Eigentlich ist es das, was unsere Arbeit ausmacht. Dabei muss man sehen, dass in Hessen die Feuerwehren ehrenamtlich tätig sind, d.h., dies neben bzw. zusätzlich zu ihrem beruflichen Leben leisten.
Frank Kraft: Es war schon sehr unterschiedlich: Hilfeleistung bei der schlimmen Gewalttat, Türöffnung bei einem Suizid, Brandeinsätze, Hochwasserlagen mit Tierrettung, Bewahrung von Sachgegenständen und Gebäuden. Auch Menschenrettung gehört dazu, d. h. dass wir dafür Sorge tragen, dass das Pflegepersonal oder der Notarzt in die Häuser der betroffenen Patienten gelangen kann. Auch Sicherungsmaßnahmen für den fließenden Verkehr, für die Umwelt und bspw. unter Strom gesetzte Gebäude gehören zu den Einsätzen.
Markus W.: Die Heizung der Laisbachschule konnte z.B. vor Schaden bewahrt werden, weil wir dauerhaft eine Tauchpumpe im Einsatz hatten. Das gilt auch für einige Gebäude und Keller, bspw. in Dauernheim.

Ein enormes Fachwissen ist dabei doch sicherlich nötig?

Markus Wickl: …was wir uns aneignen müssen. Hinzu kommt die körperliche Fitness und die Teamarbeit der Einsatzkräfte, die geübt sein will. In der Pandemie unter erschwerten Bedingungen.

Bleiben wir mal beim Hochwasser. Hier gab es viel Kritik an der dezentralen Feuerwehrlösung - warum in jedem Ortsteil eine Feuerwehr vorgehalten wird. Ist das gut?

Frank Kraft: Aus feuerwehrtaktischer Sicht und für die Sicherheit der Bevölkerung hat sich dieser Weg gelohnt. Am Beispiel des Hochwassers kann man doch folgendes - und das nicht nur in Ranstadt- festellen: Die Einheiten vor Ort können die notwendigen Maßnahmen zeitnah einleiten. Bei uns waren das vier betroffene Ortsteile: Bobenhausen, Bellmuth, Ranstadt und Dauernheim. Die Wehr aus Ober-Mockstadt konnte den Grundschutz sicherstellen und unterstützte zusätzlich beim Sandsäcke füllen.
(Grundschutz: Bereitschaft, wenn zusätzlich bspw. ein Brand ausbricht oder z. B. ein Verkehrsunfall geschieht.)

Ist denn eure Ausstattung ausreichend?

Markus Wickl: Generell haben wir eine sehr gute Ausrüstung, z.B. unsere Kleidung. Hier hat sich das neue Kleidungskonzept ausgezahlt. Natürlich geht es immer besser. Gerade Wasserrettung muss aus unserer Sicht neu gedacht werden, auch vom Wetteraukreis. Der Gerätewagen Hochwasser ist ein Fahrzeug des Landes Hessen und kann im gesamten Wetteraukreis eingesetzt werden. Gut, dass es dieses Mal in Dauernheim eingesetzt werden konnte. Daher ist z. B. die Anschaffung von weiteren, davon unabhängigen Schmutzwasserpumpen mit einer hohen Förderleistung ein Ziel.
Frank Kraft: Im Bedarfs- und Entwicklungsplan werden wir auch ein Mehrzweckboot als Bedarf notieren. Bislang wurde dies belächelt. Aber wir sehen auch, dass bei einer solchen flächendeckenden Hochwassergroßschadenslage, sämtliche Kommunen auf sich selbst gestellt sind. Nur bedingt kann man sich gegenseitig unterstützen. Zur Menschenrettung oder zur Sicherstellung medizinischer Versorgung ist ein solches Hilfsmittel sehr, sehr wichtig.
(Bedarf- und Entwicklungsplan: Eine Planung der nächsten 5 Jahre, die vom Ordnungsamt der Gemeinde ausgearbeitet und von der Gemeindevertretung beschlossen wird. Hier wird niedergeschrieben, wann bspw. ein neues Fahrzeug angeschafft werden muss und welche weiteren Anschaffungen erforderlich sind.)

War das am 29.1.21 ein Jahrhunderthochwasser?

Frank Kraft: Das kann man so nicht mehr sagen. Das obere Niddertal hat es diesmal schlimmer erwischt als das Niddatal. Das Wasser sucht sich seinen Weg und es kommt schnell. Wir beobachten im Vorfeld und auch jetzt noch die Pegel. Aber die historischen Jahrhundertwasser sind längst durch die Realität der Starkregenereignisse abgelöst. Und wir sehen: Es kommt immer wieder und sehr gewaltig.

Die Technische Einsatzleitung hatte erschwerte Bedingungen - im und am Feuerwehrhaus in Ranstadt laufen Umbauarbeiten. Wie war das?

Markus Wickl: Das darf für uns keine Rolle spielen. Die Koordination mit den jeweiligen Bauabschnitten ist mit der Bauverwaltung exakt abgestimmt. Die Einsatzbereitschaft ist jederzeit sichergestellt. Das gilt auch für die TEL.

Apropos, TEL ist die Technische Einsatzleitung

Frank Kraft: Bei flächendeckenden Ereignissen, wie dem Wasser, Sturm oder Großschadenslagen etc. wird eine örtliche Technische Einsatzleitung (für Ranstadt ist das im Feuerwehrhaus in Ranstadt) eingerichtet. Sie läuft in paralleler Abstimmung zur zentralen Leitstelle des Wetteraukreises. Wir führen unsere eigenen Einheiten von dort aus. Sobald diese in Betrieb genommen wird, erfolgt eine Rückmeldung an den Krisenstab der Gemeinde Ranstadt. Über diesen Krisenstab werden die Möglichkeiten der öffentlichen Kommunikation, wie z. B. Verständigung der Bevölkerung organisiert.
Notrufe über die 112 werden aber weiter direkt über die Zentrale Leitstelle des Wetteraukreises entgegengenommen. Vor Ort besteht die Möglichkeit, bspw. bei Hochwasser, die örtliche Leitzentrale unter der Tel. 06041-4007 zu kontaktieren. Damit schafft die Gemeinde gemeinsam mit dem Kreis eine zusätzliche Sicherheit für die Bevölkerung.

Das muss aber eingespielt sein – das ist doch sicher nicht leicht?

Frank Kraft: Nein, das ist es nicht. Aber durch konsequente Ausbildung unserer Feuerwehrleute und auch der Ausbildung von Verwaltungsmitarbeitern, die sich im Katastrophenschutz weiterbilden, klappt das in Ranstadt sehr gut mit der Bewältigung solcher Krisensituationen. Wir haben ja auch schon viele unterschiedliche schwierige Lagen hinter uns und gewinnen jedes Mal neue Erkenntnisse.
Markus Wickl: Und die künftigen Räumlichkeiten des Feuerwehrhauses Ranstadt bieten ideale Bedingungen für die Arbeit eines Krisenstabs, auch gemeinsam mit der Verwaltung, die sehr gut mit uns kooperiert und den Rücken freihält, wenn es um amtliche Entscheidungen geht.
Frank Kraft: Auch die aktuellen technischen Anforderungen werden dort erfüllt sein. Gerade die Nähe zum Bürgerhaus erlaubt uns die Nutzung vieler Räume. Dies gilt für die Versorgung von Verletzten oder Evakuierten sowie der Einsatzkräfte.

Die Versorgung der Einsatzkräfte - wie erlebt ihr das vor Ort?

Markus Wickl: Das ist hier in der Gemeinde vorbildlich. Grundsätzlich sorgt an der Spitze die Bürgermeisterin und ihr Team immer dafür, dass sich genügend Helferinnen und Helfer finden, seien es die Landfrauen oder das Team der Bücherei oder spontan Leute aus dem Rathaus. Zuletzt beim Brand, der sich außerhalb Ranstadts ereignete, hat die Vogelschutzgruppe spontan Kaffee gekocht. Das ist schön zu erleben.
Frank Kraft: Die Hilfsbereitschaft in unserer Gemeinde ist ohnehin klasse! Dem Aufruf der Gemeinde, spontan Tauchpumpen für Betroffene auszuleihen, lief toll. Organisiert hatte das die Gemeinde.
Ich will bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, dass es ganz viele Möglichkeiten gibt, sich selbst zu schützen und auf Hochwasser, Stromausfall und andere Schadensereignisse einzustellen. Die Gemeinde hat hier zu den Leitfaden "Was tun wir, wenn das Wasser kommt...“ auf die Homepage gestellt. Diesen finden Sie auch in der Ausgabe des Mitteilungsblattes auf Seite 12.

Letzte Frage, Herr Kraft. Wann werden Sirenen eingesetzt?

Frank Kraft: Das Sirenensignal wird von der zentralen Leitstelle aus gesteuert. Es kann auch in Ausnahmefällen vor Ort ausgelöst werden. Es ist ein zusätzliches Warnsignal für Feuerwehrleute, falls bspw. der Funkmeldeempfänger nicht gehört wird. Es ist aber auch ein Warnsignal für die Bevölkerung. In einem solchen Fall, sollte man auf der Hut sei: Möglichst das Radio einschalten und auf Lautsprecherdurchsagen achten, ggf. auch eigene Schutzmaßnahmen einleiten.

Folgende Sirenensignale werden offiziell in Hessen verwendet:
Alarmierung der Feuerwehr: 1 Minute Dauerton, zweimal unterbrochen
Allgemeine Warnung der Bevölkerung: 1 Minute Heulton

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